Mangas, Itou Junji und die Frau in der Plastiktüte


Die bei Jung und Alt allseits beliebten Mangas üben nicht erst seit ein paar Jahren einen enormen Einfluss auf die japanische Kinoindustrie aus. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges hat sich eine riesige Comicindustrie in dem asiatischen Land entwickelt. Etwa zwei Milliarden verkaufte Mangas pro Jahr sprechen Bände über die Popularität bei der Bevölkerung. Obwohl hier in den letzten Jahren ein leichter Wandel eingesetzt hat, sind diese Comics überwiegend zielgruppenorientiert. Für jede Altersgruppe beiden Geschlechts gibt es mittlerweile den passenden Manga. Das Themenspektrum ist dabei sehr breitgefächert und die Comics decken praktisch alle Bereiche ab, ob das nun sachbezogene Themen sind oder einfach nur anspruchslose Unterhaltung.

Daher kommt es auch nicht von ungefähr, dass sich die Wurzeln von einem Großteil der modernen Genreproduktionen in solchen Comics finden lassen. Heutzutage gibt es kaum noch einen japanischen Horrorfilm, der ursprünglich nicht den Phantasien eines erfolgreichen Manga-Schöpfers entsprungen ist. Von all diesen Künstlern, die ihren Fokus ausschließlich auf Horrorgeschichten richten, dürfte Itou Junji der derzeit populärste sein. Die Liste der Verfilmungen seiner Arbeiten ist lang und bis heute wurde über einem Dutzend seiner Comicgeschichten die Ehre einer TV- bzw. Kinoadaption zuteil.

Geboren wurde Itou im Jahr 1963 in der Präfektur Gifu, gelegen im Zentrum der japanischen Hauptinsel Honshu. Durch den Einfluss seiner älteren Schwester entdeckte er schon zu Grundschulzeiten seine Vorliebe für Mangas mit Horrorthematik. Inspiriert von den Zeichnungen der Schwester und den Arbeiten von Altmeister Umezu Kazuo begann er schon sehr früh seine eigenen Geschichten zu ersinnen. Nach dem Abschluss an einer Hochschule für Zahnmedizin arbeitete Itou dann mehrere Jahre als Mitarbeiter in einem Dentallabor. Nebenbei zeichnete er weiter seine Comics und entschloss sich dann im Jahre 1986 mit einer seiner Geschichten am bekannten Umeza-Manga-Award teilzunehmen. Gleich mit seinem ersten Manga Tomie konnte er dort dann auch einen der begehrten Preise in der Kategorie "New Comic Writer" einheimsen.

Der Boom im Bereich des Horrormangas Anfang der Neunziger Jahre gab Itou Junji neben vielen anderen jungen Talenten die Möglichkeit, einige seiner bisherigen Arbeiten in den zahlreichen wöchentlich bzw. monatlich erscheinenden Sammlungen, wie "Bizarre Tales Of Sleepless Nights", "Halloween Monthly" oder "Nemuki", zu veröffentlichen. Den endgültigen Durchbruch schaffte er dann mit der Horrorserie Uzumaki, die ab 1998 regelmäßig im "Weekly Big Comics Spirits" erschien.

Bereits ein Jahr später, war dann TOMIE der erste seiner Mangas der mit einer Verfilmung bedacht wurde. Letztendlich ist der von Oikawa Ataru inszenierte Film aber nicht mehr als ein mäßig gelungener Horrorfilm. Trotz einer wunderbaren Kanno Miho in der Titelrolle, plätschert TOMIE über weite Strecken nur dröge vor sich hin und kommt erst im letzten Drittel so richtig in Schwung. Obwohl auch die wirklich gelungenen letzten Minuten kaum ausreichen, um den Film noch in Richtung eines durchweg unterhaltsamen Genrewerkes zu lenken, erfreute sich die Produktion bei Japans Teenagern großer Beliebtheit. Der Erfolg beim jugendlichen Publikum war dann auch der Auslöser dafür, dass es TOMIE in den folgenden Jahren auf drei Kinofortsetzungen und ein TV-Feature brachte.

Der zweite Teil, TOMIE: REPLAY, setzte dann im Gegensatz zum Vorgänger viel stärker auf handfeste Horrorelemente und hinterlässt dadurch einen wesentlich nachhaltigeren Eindruck beim Zuschauer. Dieses Sequel ist bis heute zweifellos der stärkste Film der Reihe und kann durch einige höchst verstörende Momente glänzen, die ihn phasenweise zu einem exzellenten Horrorfilm werden lassen. Leider baut TOMIE: REPLAY beim nicht übermäßig gelungenen Finale doch deutlich ab und auch die wenig charismatische Houshou Mai als neue Tomie-Darstellerin sorgt dafür, dass der Film diesen glänzenden Eindruck nicht über die gesamte Laufzeit aufrechterhalten kann. Trotzdem gestaltet er sich für eingefleischte Anhänger des Horrorkinos Made in Nippon als durchaus sehenswerter Genreeintrag.

Keinen allzu guten Eindruck hinterlässt dagegen der dritte Teil TOMIE: RE-BIRTH, der neben dem unsäglich langweiligen TV-Film TOMIE: ANOTHER FACE, den klar schwächsten Eintrag in die Reihe darstellt. Inszeniert von JU-ON Regisseur Shimizu Takashi, schleppt sich der äußerst dröge Film ohne einen Anflug von Spannung sehr zäh über die Runden. Lediglich im letzten Drittel hat TOMIE: RE-BIRTH dann den ein oder anderen gelungenen Moment aufzubieten. Der bis dato letzte Eintrag in die Reihe aus dem Jahr 2002, geht dagegen wieder etwas andere Wege und bricht aus dem üblichen Horrorschema aus. Mit TOMIE: THE FINAL CHAPTER - FORBIDDEN FRUIT bietet Regisseur Nakahara Shun eine nicht immer überzeugende Mischung aus Horrorfilm und leichter Dramakost. Obwohl der Film insgesamt zu oberflächlich bleibt, um als ernstzunehmendes Jugenddrama wirklich überzeugen zu können, schneidet er deutlich besser ab, als der langweilige dritte Teil und dürfte so für eingefleischte Fans der Reihe immer noch ganz ansehnliche Kost darstellen.

Die bis heute bemerkenswerteste Itou Verfilmung stammt unzweifelhaft vom japanisch stämmigen Ukrainer Higuchinsky, der sich zuvor einen Namen als Regisseur von Musikvideos gemacht hat. Sein Filmdebüt UZUMAKI erweist sich als überaus groteske Unterhaltungsperle mit zahlreichen surrealistischen Momenten und ist nicht nur für Fans des schrägen japanischen Genrekinos unbedingt sehenswert. Ebenfalls von Higuchinsky stammt NAGAI YUME (LONG DEAD), der innerhalb einer 16-teiligen Itou Reihe namens The Horror World of Itou Junji Collection für die TV-Station Asahi produziert wurde und im Jahr 2000 über die japanischen Bildschirme flimmerte. Obwohl er UZUMAKI bei weitem nicht das Wasser reichen kann, ist der sechzigminütige Film für eine TV-Arbeit sehr ansprechend inszeniert und bietet insgesamt sehr ordentliche Unterhaltung.

Eine der schwächsten Itou-Verfilmungen ist zweifelfrei OSHIKIRI. Dieses überaus langweilige Slasherfilmchen versucht zwar, durch kleinere übernatürliche Einschübe, etwas aus dem Genreeinerlei auszubrechen, doch letztendlich kann der von Satou Zenboku inszenierte Film weder formal noch inhaltlich halbwegs akzeptable Genrekost vorweisen. Ebenfalls kein Highlight, aber deutlich besser als OSHIKIRI, ist die Itou-Verfilmung KAKASHI, die vom Genrespezialisten Tsuruta Norio in Szene gesetzt wurde. Sein zweiter Kinohorrorfilm weißt dabei überdeutliche Parallelen zum zwei Jahre zuvor entstandenen SHIKOKU von Nagasaki Shunichi auf. Obwohl KAKASHI durchaus mit dem nötigen Gespür für Atmosphäre inszeniert ist, zieht er im Vergleich zu Nagasakis äußerst gelungenem Werk deutlich den kürzeren.

 


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